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20. August 2019

Qualitätsdiskussion in den stationären Hilfen zur Erziehung – was macht ein gutes Heim aus?

Die aktuelle Situation in der Heimerziehung

Für über 140 000 Kinder und Jugendliche in Deutschland (Stand 2016) ist nicht die eigene Familie, sondern eine Form des betreuten Wohnens, für einen unterschiedlich langen Zeitraum, der zentrale Ort des Lebens. In solchen Fällen soll beispielsweise die Unterbringung in einem Heim den jungen Menschen möglichst gute Entwicklungschancen für ihr Aufwachsen bieten. Dies bedeutet eine besondere Begleitung und Förderung der Kinder und Jugendlichen und das Ermöglichen eines „lebenswerten Alltages“.

In den letzten Jahren verstärkt sich eine Debatte über die Qualität in den stationären Hilfen zur Erziehung. Dies liegt insbesondere an den Ausgaben, die für diesen Bereich getätigt werden, aber auch an der ethischen und moralischen Verantwortung, die zu erfüllen ist. Denn es geht darum, Kindern und Jugendlichen, die aus einem schwierigen familiären Umfeld kommen, dennoch die bestmöglichen Chancen für ein gelingendes Aufwachsen und eigenverantwortliches Leben zu ermöglichen.

Beteiligung von Kindern und Jugendlichen als wesentliches Qualitätskriterium

Aus Sicht von Kindern und Jugendlichen zeichnet sich ein gutes Heim unter anderem durch ausreichende Beteiligungsmöglichkeiten aus. So eines der zentralen Ergebnisse einer neuen Studie der Bertelsmann Stiftung zur Qualität in den stationären Hilfen zur Erziehung.

Das gemeinsame Projekt der Bertelsmann Stiftung und des Deutschen Jugendinstituts „Gute Heime“ hat zum Ziel, wesentliche Dimensionen zur Beschreibung der Qualität stationärer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe herauszuarbeiten. Von den Projektergebnissen sollen die Kinder und ihre Familien, aber auch die Jugendämter, Einrichtungen und die politischen Entscheidungsebenen profitieren.

Die Studie untersuchte die Sichtweise von Kindern, Jugendlichen und ihren Eltern (Adressatenperspektive), den Einrichtungsleitungen und Erzieherinnen in den Heimen (Innenperspektive) und Mitarbeitern des Jugendamtes, Landesjugendamtes und den Trägern der freien Wohlfahrtspflege (Außenperspektive) hinsichtlich der Frage nach guter Qualität in Heimen. In qualitativen Interviews wurden Kinder und Jugendliche in Heimen sowie ihre Eltern befragt. Es zeigte sich, dass für die Kinder und Jugendlichen ein Heim dann gut ist, wenn sie Einfluss auf die Gestaltung ihres eigenen Lebens haben. Dies bedeutet auch Möglichkeiten zur Partizipation und Beteiligung. Weitere genannte Kriterien waren beispielsweise die architektonische Qualität der Einrichtungen, wie das Vorhandensein von Rückzugsräumen oder Zugang zu dem, was für ihr Alter normal ist, wie z. B. Smartphones oder kostenloses WLAN.

Perspektive von Kindern, Jugendlichen und Eltern stärker berücksichtigen

Die zentralen Ergebnisse der Studie wurden in den letzten Monaten mit Fachvertretern aus der Praxis in verschiedenen Workshops diskutiert. Dazu kamen Heimleiter, Jugendamtsleiter, aber auch Wissenschaftler und Vertreterinnen und Vertreter von Ministerien, Landesjugendämtern und Verbänden zusammen. Ein übergreifender Konsens herrschte darin, dass die Perspektive von Kindern, Jugendlichen und Eltern in die Qualitätsentwicklung stärker einfließen muss. Durch sie können wichtige Impulse zur Erarbeitung von Qualitätskriterien eingebracht werden.

Bisher spielt Qualitätsentwicklung- und Beurteilung in der Praxis nur eine geringe Rolle

Der Blick in die Praxis zeigt, dass der Wichtigkeit des Themas bisher nur ungenügend Rechnung getragen wird. Dafür gibt es verschiedene strukturelle Gründe, wie beispielsweise der rechtliche Rahmen. Insbesondere wird deutlich, dass eine übergreifende Definition und gemeinsam ausgearbeitete Qualitätskriterien fehlen. Als Anknüpfungspunkt im bisher rechtlich festgelegten Rahmen kann hierfür die Qualitätsentwicklungsvereinbarung (§ 78b SGB VIII) dienen, welche als Aufforderung zur Aushandlung der Qualitätskriterien zwischen Einrichtungen (den Trägern der freien Wohlfahrtspflege) und den Jugendämtern verstanden werden kann. Bisher wird Qualität oft nur implizit mitgedacht, wenn Mitarbeiter des Allgemeinen Sozialen Dienstes ein Heim auswählen. Konkrete Formulierungen dieser Kriterien fallen jedoch schwer und sind in den Arbeitsprozess nicht eingebunden.

Herausforderungen bei der Formulierung von Qualitätskriterien

Die Formulierung von Qualitätskriterien fällt deshalb so schwer, weil besondere Herausforderungen vorliegen. Dies liegt vor allem an der Vielfalt von Angeboten und Bedarfen. Unter dem Begriff der stationären Hilfen zur Erziehung wird ein breites Spektrum an Angebotsformen des betreuten Wohnen für sehr unterschiedliche Zielgruppen und Hilfebedarfe zusammengefasst. Bekannt sind vor allem die klassischen Heime, enthalten sind aber auch familienähnliche Gruppen oder betreutes Einzelwohnen. Hinzu kommen weitere spezifische Anforderungen. So sollen manche Kinder und Jugendliche in ihrem bekannten Umfeld bleiben, andere weiter entfernt von ihrem Heimatort untergebracht werden. Durch diese Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas ist das Herausarbeiten von Qualitätsmerkmalen, welche nicht zu allgemein, aber auch nicht zu spezifisch formuliert sind, sehr schwierig.

Foto: Sammie Vasquez / Unsplash – Unsplash License, https://unsplash.com/license

 

Weitere Projekte der Bertelsmann Stiftung:

UWE – Umwelt, Wohlbefinden und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen

Childrens World`s + – Bedarfe von Kindern und Jugendlichen in Deutschland

 

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