Viele Eltern haben Schwierigkeiten, einen Kitaplatz für ihr Kind zu finden. Die Suche dauert lange, ist ineffizient und führt nicht immer zu gerechten Ergebnissen. Kann der Einsatz eines Algorithmus dabei helfen, die Plätze effizienter und gerechter zu vergeben? Ein neues Impulspapier der Bertelsmann Stiftung zeigt die Potenziale des Algorithmeneinsatzes auf und welche Erfolgsfaktoren beachtet werden sollten.
Mehr als die Hälfte aller Eltern mit Kindern im Kita-Alter sehen Probleme bei der Kitaplatzvergabe, lautet das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag der Bertelsmann Stiftung von November 2020. Auch für Kitaleitungen ist die Situation oft unbefriedigend, denn sie müssen viel Zeit investieren, um die Anmeldungen zu verwalten. Diese Probleme haben einen naheliegenden Grund: In Deutschland ist die Zahl der unter 3-Jährigen zwischen 2012 und 2019 um knapp 350.000 Kinder gestiegen. Dies zeigen die Entwicklungen im Wegweiser Kommune. Für diese Altersgruppe gibt es aber nicht genug Kitas. Bis zum Jahr 2025 müssten zwischen 300.000 und 380.000 zusätzliche Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren geschaffen werden. Während die Ausbildung von weiterem Personal und der Bau neuer Gebäude oft mehrere Jahre dauert, könnte ein algorithmenbasiertes Vergabesystem auch kurzfristiger zu Verbesserungen führen.
Im Kreis Steinfurt, Nordrhein-Westfalen wird seit wenigen Jahren die Software KitaMatch eingesetzt, um die Vergabe von Kitaplätzen durchzuführen. Auch andere Städte und Gemeinden setzen diese Software ein, die von einer Forschungsgruppe am ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim 2017 entwickelt wurde. Die Software ermöglicht es, die Wünsche der Eltern mit den Auswahlkriterien der Kitas bestmöglich überein zu bringen. Für das Impulspapier „Per Algorithmus zum Kitaplatz?“ wurde die Software mit Fachexpert:innen diskutiert und auf Basis der Erkenntnisse, Potenziale und Faktoren für einen erfolgreichen Einsatz ausgeleuchtet.
Potenziale für persönlichen Zeitgewinn sowie effizientere und fairere Vergaben
Es zeigen sich durch den Algorithmeneinsatz drei zentrale Potenziale, die Probleme und Bedarfe bei der Kitaplatzvergabe adressieren: Zum einen ermöglicht der Algorithmeneinsatz eine effizientere Verteilung der knappen Betreuungsplätze, denn Eltern wird nur der für sie attraktivste Kitaplatz angeboten. Zum zweiten entsteht durch den Software-Einsatz ein persönlicher Zeitgewinn für die Beteiligten, denn sie können sich viele Stunden sparen, das richtige „Match“ zu finden. Zum dritten kann die algorithmenbasierte Kitaplatzvergabe zu mehr Fairness/Gerechtigkeit führen. Dafür braucht es unter anderem einen einheitlichen Kriterienkatalog, der Transparenz über die Vergabeentscheidungen schafft.
„Gleichzeitig ist der Algorithmeneinsatz aber auch kein Allheilmittel. Ein komplexes soziales Problem wie eine gerechte Kitplatzvergabe lässt sich nicht allein durch den Einsatz von Technologie lösen“, sagt Julia Gundlach, Co-Leitung des Projekts Ethik der Algorithmen und Autorin des Impulspapiers. So ist es unter anderem wichtig, dass die Effekte des Algorithmeneinsatzes auf die soziale Segregation in Kitas wissenschaftlich erforscht werden. Was auch ohne weitere Forschung klar ist: Auch der beste Algorithmus kann keine neuen Betreuungsplätze schaffen. Der Ausbau muss parallel zur Verbesserung des Vergabesystems vorangetrieben werden.
Technologieeinsatz und -anwendung partizipativ gestalten
Dort, wo der Algorithmeneinsatz Verbesserungen ermöglichen kann, gilt es die konkrete Ausgestaltung in den Blick zu nehmen. „Die Erfahrungen mit dem Software-Einsatz in ersten Städten und Gemeinden und die Erkenntnisse aus der Erarbeitung der „Algo.Rules – 9 Regeln für die Gestaltung algorithmischer Systeme“ deuten auf wichtige Erfolgsfaktoren hin, unter anderem:
- Kompetenzaufbau: Anwender:innen im Kitabereich sollten ein Grundverständnis der Technologie haben, aber auch technische Entwickler:innen für den sozialen Anwendungskontext sensibilisiert sein.
- Aufklärungsarbeit: Um Akzeptanz für Algorithmeneinsätze in teilhaberelevanten Bereichen zu schaffen, müssen Erklärungen zielgruppengerecht vermittelt und proaktiv kommuniziert werden.
- Partizipation: Um die realen Bedürfnisse der Betroffenen von Anfang an einzubinden, sollten sie kontinuierlich beteiligt werden. Dabei gilt es auch jene Personen zu identifizieren, die bisher noch nicht an Kitaplatzvergaben beteiligt waren.
Diese Erfolgsfaktoren brauchen zum einen eine hohe Bereitschaft von Einzelpersonen, sich zu engagieren, zum anderen aber auch begünstigende Strukturen. An strukturellen Stellschrauben sind politische Entscheidungsträger:innen gefragt, den Aufbau von Expertise in der öffentlichen Verwaltung zu fördern und ebenso ausreichend Unterstützung für Lösungsansätze zur Verfügung zu stellen, die konkrete soziale Probleme adressieren.
Gemeinwohlorientierte Innovation gezielt fördern
Das Impulspapier zeigt am Beispiel der Kitaplatzvergabe, dass algorithmische Systeme durchaus dazu beitragen können, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Das Papier soll daher zum einen ein Impuls für Personen im Kitabereich sein, den Software-Einsatz zu erproben und zum anderen politischen Entscheidungsträger:innen Ableitungen für gemeinwohlorientierte Innovationsförderung aufzeigen. Denn aktuell mangelt es noch an solch greifbaren Positivbeispielen, da Algorithmeneinsätze hauptsächlich durch ökonomische Motive bestimmt sind. Dadurch entstehen blinde Flecken beim Gemeinwohl und wichtige Herausforderungen werden nicht in dem Maße lösungsorientiert angegangen, wie nötig. Dies kann sich ändern, wenn für gemeinwohlorientierte Innovationsprojekte bessere Rahmenbedingungen und Fördermöglichkeiten geschaffen werden. Mehr dazu können Sie im Impulspapier nachlesen, dass Sie hier finden:
Algorithmenethik | Bessere Kitaplatzvergabe per Algorithmus – Algorithmenethik
Bildnachweis: Photo by Markus Spiske on Unsplash
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