Länder wie Schweden oder Estland sind Deutschland weit voraus beim Ausbau leistungsfähiger Breitbandnetze mit Geschwindigkeiten von mehr als 50 Mbit/s. Eine wichtige Rolle spielen dabei die Kommunen. Mit ihrem Engagement treiben sie vor allem den Glasfaserausbau in ländlichen Regionen voran. Kann das auch bei uns funktionieren? Das haben wir in unserer neuen Studie „Ausbaustrategien für Breitbandnetze in Europa. Was kann Deutschland vom Ausland lernen?“ untersucht.
Deutschlands Regionen hinken hinterher
Deutschland liegt bei schnellen Glasfaseranschlüssen im europäischen Vergleich auf dem vorletzten Platz (Ranking des FTTH Councils Europe 2016). Vor allem in ländlichen Regionen fehlen oft schnelle Internetzugänge. Doch gerade hier ist leistungsstarkes Internet besonders wichtig, wenn sie auch in Zukunft wettbewerbsfähig und lebenswert bleiben wollen. Schnelles Internet hat einen großen Einfluss darauf, wie attraktiv eine Region für Bürger und Unternehmen ist. Es stellt eine Chance für Produktivität und Wertschöpfung dar. Außerdem ist es Grundvoraussetzung dafür, dass Menschen die Vorteile der Digitalisierung nutzen und an der Gesellschaft teilhaben können – sei es über personalisierte Bildungs- und Gesundheitsangebote oder digital organisierten Nahverkehr.
Länder wie Schweden, Estland oder die Schweiz haben das früh erkannt und treiben mit ambitionierten Zielen den Glasfaserausbau voran. Eine wichtige Rolle spielen dabei Kommunen.
Was das Ausland besser macht: Schnelles Internet als Versorgungsauftrag und Standortvorteil
In Schweden engagieren sich Stadt- und Gemeindeverwaltungen, Stadtwerke und kommunale Netzgesellschaften schon seit Mitte der 1990er im Glasfaserausbau. Schnelles Internet wird hier als Teil des Versorgungsauftrags gesehen genau wie Energie und Wasser. Kommunen begreifen schnelle Internetverbindungen als strategischen Vorteil. So kommt es, dass Kommunen in Schweden 60% der Glasfasernetze stellen. Koordiniert werden die Ausbauaktivitäten von Kommunen, Telekommunikations- und Kabel-TV-Anbietern in einem Breitbandforum.
Auch in der Schweiz machen kommunale Stromversorger seit 2007 Städte mit schnellem Glasfasernetz wettbewerbsfähig. Damit sie ihr Netz besser an Anbieter von Internet-, Telefon- oder TV-Angeboten vermarkten können, haben sie sich zu einem Unternehmen zusammengeschlossen. Mittlerweile sind sie für den Telekommunikationsmonopolisten eine so große Konkurrenz, dass sie sich die Ausbaugebiete untereinander aufteilen. Verlegt werden immer 4 Fasern, von denen je eine an die Kommune und den Monopolisten geht und zwei weitere an Dritte vermietet werden können (Open Access Modell). Auf dieses Modell haben sich die Akteure an runden Tischen geeinigt, die für einen koordinierten Ausbau sorgen.
In Estland gibt es seit 2000 einen verfassungsmäßigen Anspruch auf schnelles Internet. Hier arbeiten Kommunen in ländlichen Regionen mit der Regierung zusammen. Auf diese Weise kann das landesweite Glasfasernetz dort verlegt werden, wo sowieso gerade neue Straßen oder Wasserleitungen gebaut werden.
Was Deutschland von anderen Ländern lernen kann
Bessere Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen: Schweden und die Schweiz sind vor allem Vorreiter, weil die Ausbauaktivitäten verschiedener Akteure geschickt koordiniert werden und sich ergänzen. Hierzulande hingegen fehlt eine solche Abstimmung. Es braucht insgesamt deutlich mehr Koordination und Anreize für Kooperationen zwischen den verschiedenen Akteuren. Das ist auch wichtig, um Doppelverlegungen von Leitungen zu vermeiden. Momentan erschweren hierzulande zum Beispiel noch Wettbewerbsregeln öffentliche Investitionen. So erhalten Kommunen keine Förderung für Glasfaserprojekte mehr, wenn die Telekom dort Ausbauaktivitäten (Vectoring) ankündigt.
Bessere rechtliche Rahmenbedingungen für Kommunen: Im Gegensatz zu Ländern wie Schweden und der Schweiz dürfen sich Kommunen in Deutschland nur dann wirtschaftlich betätigen, wenn die Leistung nicht ebenso gut auch durch private Unternehmen erbracht werden kann. Ähnlich wie in Schweden wurde in manchen Bundesländern der Ausbau von Telekommunikationsnetzen von dieser Regelung ausgenommen. Wichtig ist hier eine einheitliche Regelung für alle Bundesländer, damit Kommunen Rechtssicherheit haben.
Höherer Stellenwert für schnelles Internet: Kommunen in Schweden, in Estland und der Schweiz haben früh erkannt, dass der Zugang zu Breitband-Internet ein wichtiger Erfolgsfaktor ist. Auch in Deutschland sollten Kommunen schnelles Internet als Wettbewerbsvorteil begreifen und ihren Versorgungsauftrag auf Breitband-Internet ausweiten können. Damit tragen sie dazu bei, die Chancen der Digitalisierung optimal nutzen zu können und die Regionen – vor allem auch die ländlichen – besser aufzustellen.
Es gibt tatsächlich noch viel zu tun in Deutschland. Defragmentierung der indivuellen Lösungsansätze, die oft der übernächsten Nachbargemeinde schon nicht mehr bekannt sind und die übermächtige Dominanz des ehemaligen Staatskonzerns hindert einen zügigen Aufbau entsprechender Infrastruktur, die als Grundlage für die zukünftige Entwicklung nicht-städtischer Gebiete anzusehen ist.
Danke für das Teilen der nordeuropäischen und schweizerischen Erfahrungen in diesem Bereich.