Open Data schürt in vielen Kommunen noch immer die Angst vor dem gläsernen Arbeitsplatz. Doch die Versprechen der offenen Verwaltung erfüllen sich nicht durch Forderungen nach radikaler Transparenz, sondern durch Zugeständnisse zu selektiver Geschlossenheit. Offenheit durch Geschlossenheit – Wie das geht zeigen Beispiele einer aktuellen Studie aus Berlin, London und New York City.
Die Versprechen von Open Data sind vielfältig: Die einen erwarten sich ein effizienteres Verwaltungshandeln, die anderen eine erhöhte Rechenschaft der Behörden gegenüber dem Bürger. Für wieder andere steht Open Data vor allem für die Entwicklung von „Civic Apps“ – bürgernaher Dienstleistungen – und die kommerzielle Nutzbarmachung öffentlich zugänglicher Datenbestände. Auch wenn Open Data auf politischer Ebene in Bund und Ländern breite Unterstützung findet, herrscht in den Behörden – dort wo die Daten liegen – oft vor allem eines: Angst vor dem gläsernen Arbeitsplatz. Diese Angst ist unbegründet. Die Versprechen rund um Open Data erfüllen sich nicht durch radikale Transparenz, sondern durch das Zusammenspiel aus Offenheit und Geschlossenheit.
Das Open-Data-Paradoxon
In einer Studie des Harvard-Wissenschaftlers Ethan Bernstein beschreibt dieser ein Transparenz-Paradoxon: In Gruppen von Fabrikarbeiterinnen die stark überwacht werden sinkt die Produktivität, da diese ihre Aktivitäten nun durch neue aufwändige Geheimcodes und andere Ausweichmechanismen verschleiern. Andererseits beschreibt Bernstein, dass ein Mehr an Privatsphäre in solchen Gruppen mittelfristig durchaus zu Produktivitätsgewinnen führen kann, da diese Geschlossenheit einen Raum für kreative Experimente und die Bereitschaft zum Lernen durch Fehler bieten. Die Verwaltung ist keine Fabrik, trotzdem lässt sich das Paradoxon auch auf die Frage nach Open Data übertragen: Auch hier muss eine produktive Balance zwischen Offenheit und Geschlossenheit erreicht werden. Der beste Weg dies umzusetzen führt nicht (nur) über eine top-down verordnete Open-Data-Initiative, sondern über die direkte Aushandlung von Open Data zwischen Behörden und der Open-Data-Community. Die folgenden Beispiele aus New York, London und Berlin zeigen wie Open Data in diesen Städten durch Zugeständnisse hinsichtlich Geschlossenheit erfolgreich umgesetzt wurde (Link zur Studie).
Eine Möglichkeit Offenheit durch Geschlossenheit zu erreichen ist Datensätze nur zum Teil zu veröffentlichen. Verwaltungen können beispielsweise entscheiden, weniger sensible Daten zu öffnen, nicht aber Daten deren Veröffentlichung die Kernaufgabe oder Identität der jeweiligen Behörde behindern würde. In New York berichtet ein ehemaliger Transparenz-Beauftragter der Feuerwehr davon, wie er vor der Veröffentlichung von Einsatzprotokollen als Open Data diese so anonymisierte, dass keine willkürlichen negativen Konsequenzen für die eigene Stadtteilgemeinschaft entstehen können, z.B. durch Informationen in den Protokollen die zu einer Verminderung der Versicherungssumme führen könnten. Als Aufgabe der Feuerwehr sah er somit nicht nur das Löschen von Bränden, sondern auch den Schutz der lokalen Gemeinschaft im weiteren Sinne.
Eine andere Möglichkeit Offenheit durch Geschlossenheit zu erreichen besteht darin, Datensätze in veränderter Form bereitzustellen. Für Behörden kann es durchaus ein Problem darstellen, gespeicherte Daten sehr feinkörnig zu veröffentlichen. Im Gespräch mit der Open Data-Community kann sich herausstellen, dass diese allerdings auch mit einer gröberen Form zufrieden wäre. In London beispielsweise herrschte eine langwierige Debatte zwischen der Nahverkehrsgesellschaft auf der einen Seite und Politikern und Unternehmern auf der anderen. Politik und Unternehmer wollten die Fahrplandaten möglichst feinkörnig und offen auf dem Datenportal der Stadt veröffentlicht sehen. Die Behörde wollte allerdings einen Überblick über die Nutzung der Daten behalten. Am Ende dieser Debatte einigten sich die Parteien darauf, dass die Nahverkehrsgesellschaft die Daten nicht in das Datenportal der Stadt einspeist, sondern Zugriff für Entwickler über eine eigene Schnittstelle und nur nach vorheriger Registrierung mit Klarnamen zu gewährleisten.
Öffnung der Datenbestände in Abstimmung mit der Community
Die Datenbestände von Stadtverwaltungen sehen oftmals anders aus, als es sich die Community vorstellt: Daten, die für die Community besonders interessant sind, existieren mitunter in der vorgestellten Form nicht oder zumindest nicht als zusammenhängender Datensatz. Trotzdem kann es sich für die Verwaltung sehr lohnen, diese Daten bereit zu stellen und darüber mit der Community in Kontakt zu treten. Ein weiterer Weg, Offenheit durch Geschlossenheit zu erreichen, ist es daher, die Öffnung zu „orchestrieren“, das heißt in Abstimmung mit der Community völlig neue Datensätze zu erstellen. In Berlin geschah dies zum Beispiel im großen Stil für mehrere „Hackdays“ zu Daten aus Kulturinstitutionen. Diese Institutionen wollten ihre Daten zunächst so öffnen wie sie intern vorlagen, entschieden sich dann aber doch, diese „Originale“ geschlossen zu halten und stattdessen neu komponierte Datensätze zu veröffentlichen. Ein Mitglied des Organisationsteams erinnert sich: „Bei der ersten Einsicht der Daten entdeckten wir die Probleme: Spalten waren nicht konsistent, Informationen waren lückenhaft. Das wäre nicht sehr nützlich für die App-Entwickler gewesen. Nach einigen Korrekturschleifen mit den Museen hatten wir aber eine Reihe sehr brauchbarer Datensätze zusammen“. Offenheit wird also auch hier dadurch erreicht, dass die Datensätze – so wie sie tagtäglich in den Museen verwendet werden – und Offenheit so gestaltet wird, wie sie von der Community als nützlich empfunden wird.
Die Open Data-Versprechen erfüllen sich nicht durch Rufe nach radikaler Transparenz und der gläsernen Verwaltung. Vielmehr gilt es die Öffnung von Daten lokal, stückweise und bedürfnisorientiert zu verhandeln. Durch Zugeständnisse hinsichtlich Geschlossenheit wird Offenheit zum Erfolg.
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