Wie kommen wir von einem Negativszenario fehlender Nachbarschaftshilfe zu einem Positivszenario funktionierender Nachbarschaftshilfe? Der folgenden Text stammt aus einem Workshop im Rahmen einer Veranstaltung des Forums Seniorenarbeit NRW.
Die Veranstaltung fand am 3. und 4. März in Wuppertal statt und war sehr gut vom Team des Kuratorium Deutsche Altershilfe organisiert und durchgeführt. In meinem Workshop zum Thema „Nachbarschaftshilfe – Wie können wir diese Engagementform im Quartier steigern?“ erlebte ich die sehr hohe Kompetenz und ein sehr hohes Engagement der Teilnehmenden, was aber auch für die gesamte Veranstaltung galt.
Negativszenario fehlender Nachbarschaftshilfe
Gestartet wurde mit einem sehr kurzen und stark vereinfachten Negativszenario, das starke Bezüge zum Thema Nachbarschaftshilfe hat:
- Es gibt keine zukunftsorientierten Konzepte, Ziele und Maßnahmen der kommunalen Akteure zum demografischen Wandel
- Der Trend zu abnehmenden familiären und sozialen Netzwerke verstärkt sich
- Auch der Trend der verschlechterten physischen und psychischen Gesundheit setzt sich fort und führt zu einer sich verschlechternden Gesundheit Älterer
- Die damit verbundene Einsamkeits-, Sucht- und Armutsproblematik führte zu vielen Suiziden und Ältere sterben oft unbemerkt
- Ältere haben eine deutlich gesunkene Lebensqualität, Engagement findet kaum statt und hohe Pflegekosten belasten Pflegebedürftige, deren Angehörige und Kommunen
Mehr Lebensqualität durch ein Positivszenario funktionierender Nachbarschaftshilfe
Aus dem Negativszenario wurde dann das folgende Positivszenario skizziert:
- Zukunftsorientierte Akteure diskutierten ab 2020 in Quartiersworkshops kommunale Daten und skizzierten Ziele und Ideen
- Maßnahmen wurden durchgeführt und führten zu mehr sozialen Netzwerken
- Dies hat dazu beigetragen dass sich die physische und psychische Gesundheit Älterer verbessert hat
- Dadurch konnte die Einsamkeits-, Sucht- und Armutsproblematik Älterer reduziert werden und auch Suizide und unbemerktes Sterben finden nicht mehr statt
- Ältere haben eine bessere Lebensqualität, auch Kommunen profitieren durch mehr Engagement und Pflegekosten werden gespart
Die Teilnehmenden priorisierten aus einer vorgegebenen Liste zwei Themen und erarbeiteten Ideen sowie Lösungsvorschläge, die von zukunftsorientierten Akteuren umgesetzt werden können. Priorisiert wurden die Themen
- „zur Mitarbeit sensibilisieren“
- „nachhaltige Wirkungen sichern“
Lösungsvorschläge – zur Mitarbeit sensibilisieren
Hilfreich sind Vernetzungen mit wichtigen Akteuren (z. B. EntscheiderInnen und MeinungsbilderInnen, VertreterInnen aus den Kirchen und den Gesundheitsberufen oder Menschen im Vorruhestand). Bei den Akteuren sind
- Einfluss
- Kommunikationsstärke
- Kompetenz
- Zuverlässigkeit
wichtige Eigenschaften. Wichtig ist aber auch der Start von einfachen Maßnahmen (z. B. Gespräche, Öffentlichkeitsarbeit oder die Verfügbarkeit von Begegnungsräumen) und die Kommunikation erster Erfolge auch gegenüber neuen Akteuren.
Lösungsvorschläge – nachhaltige Wirkungen sichern
Hier wurde eingangs darauf hingewiesen, dass zeitlich befristete Projektförderung (nachhaltige Finanzierung statt „Projektitis“) im Hinblick auf nachhaltige Wirkungen oft verpufft, was aber bei den fördernden Institutionen inzwischen bekannt sein dürfte.
Wichtig sind zudem
- Messbarkeit von Zielen durch eine möglichst Daten basierte Vorgehensweise (z. B. Befragungen im Quartier)
- Personelle, finanzielle und räumliche Ressourcen
- Vernetzung (z. B. Wohnungsunternehmen, Wohlfahrtsverbände) und hauptamtliche Unterstützung durch die Kommunalverwaltung
- Öffentlichkeitsarbeit
- Chancen der Digitalisierung (z. B. durch Internetplattformen wie
- www.nebenan.de; www.netzwerk-nachbarschaft.net)
- Externe Unterstützung.
Von den Daten zu den Taten
Hier wurde deutlich, dass die Datenermittlung nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der Teilnehmenden gehört, gleichwohl aber Sinn macht, um Erfolge zu messen.
Eine hohe Anzahl von Einpersonenhaushalten oder eher kleinere Haushaltsgrößen können auf Potenziale von Nachbarschaftsprojekten hinweisen und unser Wegweiser (hier ein Datenbeispiel ) bietet hier einen ersten Eindruck der kommunalen Gesamtsituation.
Hilfreich sind auch die Altersstruktur- oder Pflegeprognosen im Wegweiser, die für fast alle Kommunen deutlich mehr Hochaltrige und Pflegebedürftige zeigen.
Allerdings sollten Nachbarschaftsprojekte immer kleinräumig in den jeweiligen Sozialräumen geplant und organisiert werden und hier finden sich weitere Informationen zur Bearbeitung des Themas.
Gerade zu diesem Thema sind auch immer Befragungen in den Quartieren mit Fragen zur Intensität und Unterstützungsmöglichkeiten von und durch Nachbarschaftskontakt oder sozialen Netzwerken hilfreich.
Kürzlich hat das Prognos-Institut im Auftrag des ZDF übrigens eine Studie über Deutschlands seniorenfreundlichste Regionen veröffentlicht und dort ging es auch um mehr als um Nachbarschaftshilfe, sondern um allgemein verfügbare Indikatoren, die einen Einfluss auf die Seniorenfeundlichkeit haben.
Datenquellen
- wegweiser-kommune.de
- Statistisches Bundesamt
- Sozialplanung für Senioren
- Einwohnermeldeamt
- Statistisches Landesamt
- Bürgerbefragungen
Beitragsbild: © Kuratorium Deutsche Altershilfe
Kommentar verfassen