Einfach mal innehalten – das geht an den Tagen an und um Weihnachten immer gut. Das Arbeitsjahr ist abgeschlossen, einige Gedanken klingen noch nach und kommen mit hinüber ins neue Jahr. Einer dieser nachklingenden Gedanken ist z.B. der ZEIT-Artikel „Haltet zusammen“ von Rudi Novotny, der für die Einführung eines sozialen Pflichtjahres plädiert. Ich finde an dem lesenswerten Beitrag neben der aus meiner Sicht richtigen Analyse vor allem die Brücken interessant, die sich dazu in unsere Zielgruppe, die Kommunen, schlagen lassen.
Bezugspunkt Nr. 1
Warum eine solche Brücke schlagen? Weil Kommunen für die Menschen der gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Bezugspunkt Nummer eins sind. Weil sie Orte der Identifikation sind. Weil sich hier engagierte Menschen in den unterschiedlichsten Themen für ein gutes Zusammenleben einsetzen. Und weil sie damit ein möglicher Hort für das sind, was Bundespräsident Gauck in seiner ersten Weihnachtsansprache 2012 zu Recht gefordert hat: ein solidarisches Miteinander.
Für die Kommunen gibt es viele Herausforderungen, mit denen sie stark auf sich gestellt sind: eine zunehmende soziale Spaltung, eine starke Alterung und Singularisierung der Gesellschaft, die immer wichtiger werdende Integration von Zuwanderern, ungleiche Bildungschancen etc. Mit schwingt dabei aus meiner Sicht die von Novotny in seinem Artikel identifizierte Entwicklung, dass unsere Gesellschaft zunehmend Gefahr läuft, eine Gesellschaft sozialer Autisten zu werden: Jeder schaut auf sich, auf seine Kinder, nur auf sein gut oder weniger gut situiertes Umfeld, meist nicht mal auf den direkten Nachbarn. Die Lebenswelten sind (vor allem entlang von Einkommen, Alter und Herkunft) immer stärker getrennt. So begegnen sich z.B. in den weiterführenden Schulen vor allem Kinder aus ähnlichen gesellschaftlichen Schichten. Das Akademikerkind hat spätestens ab Klasse 6 mit dem Hartz-IV-Kind nichts mehr zu tun.
Und auch die Möglichkeiten, soziale Kompetenzen zu entwickeln, sind eher rückläufig. Es fehlt Jungen und Mädchen häufig an Erfahrungen, die zumindest Jungen früher z.B. im Rahmen ihres Zivildienstes im Krankenhaus oder im Altenheim machen konnten und in denen sie auch ihre gewohnten sozialen Umfelder verlassen haben. Erfahrungen, die im Umgang mit Kranken oder hilfsbedürftigen Alten z.B. Demut lehren und das Ich stärker in den Hintergrund rücken lassen.
Dekliniert man nur die genannten kommunalen Herausforderungen durch, so gibt es unzählig viele Möglichkeiten, sich in seiner Stadt oder seinem Dorf einzubringen, sich solidarisch zu zeigen, zu lernen und sozialem Autismus zu begegnen. In der Praxis bleibt das jedoch oft schwer. Vielleicht müssen wir im Sinne eines Zukunftsbildes deshalb auch mal darüber nachdenken, von der Freiwilligkeit und auch Zufälligkeit des sich Einbringens ein Stück weit weg zu kommen, hin zu mehr fordernden und manchmal auch verpflichtenden Ansprachen.
Wer braucht was und wo?
Die Ebene, auf der das überlegt und gestaltet werden kann, ist immer eine kleinteilige: der Ortsteil, der Stadtteil, der Kiez, das Mehrfamilienhaus. Die Kommune der Zukunft wird gehalten sein mitzusteuern, indem sie dazu beiträgt, kleinteilig Herausforderungen zu identifizieren und möglichst kleinteilig innerhalb der Kommune Lösungsideen zu suchen: Wer braucht was wo? Wer kann wo wie unterstützen? So entwickelt sie sich weiter von einer technokratischen Kommune hin zu einer stärker gestaltenden Kommune. Dieser Rollenwechsel hat mancherorts begonnen, steht aber vielerorts noch aus.
Kommunen sollten aus meiner Sicht in Zukunft stärker willens und in der Lage sein, ihre Bürger auch zu fordern und in die Pflicht zu nehmen. Dem solidarischen Miteinander und dem Abbau von gesellschaftlichen Barrieren täte das gut.
Frohe Weihnachten wünscht das Wegweiser-Team!
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