Sinkende Einwohnerzahlen und ein geringerer Anteil an Kindern stellen viele Kommunen bezüglich der Aufrechterhaltung des öffentlichen Nahverkehrs vor große Herausforderungen. Klassischer Weise sind die Busse ja auf festen Linien unterwegs, was gerade in ländlichen Gemeinden, wo die Fahrgastzahlen geringer sind, häufige Leerfahrten mit sich bringt. Auch das Schulbusangebot ist hier betroffen, denn neben rückläufigen Schülerzahlen erschweren hier die zunehmenden Ganztagsangebote die Planung eines effizienten Buseinsatzes, da durch uneinheitliche Enden der Unterrichtszeiten immer weniger Schüler zeitgleich nach Hause fahren. So fährt oft nur eine Hand voll Schüler weite Strecken in fast leeren Bussen.
Innovative Konzepte für Schulbusse in Olfen
In der münsterländischen Kleinstadt Olfen, Kreis Coesfeld, hat man sich bereits 2013 Gedanken dazu gemacht, wie man hier mit digitaler Technik eine Entlastung schaffen kann. Das Ergebnis ist ein bedarfsorientierter Schulbusverkehr, der sich in den letzten Jahren sehr bewährt hat.
Das Prinzip ist eigentlich recht simpel: Die Schülerinnen und Schüler bekommen eine persönliche Chipkarte, auf der die jeweilige heimische Haltestelle gespeichert ist. Beim Einsteigen in den Bus halten sie ihre Karte vor ein Lesegerät und wenn alle Kinder eingestiegen sind, berechnet eine Software nun die kürzeste Route für den Bus, wobei nur noch die notwendigen Haltstellen angefahren werden. Das Ergebnis kann sich sehen lassen: Durch die verbesserte Routenführung sank die Zahl der gefahrenen Schulbuskilometer um 35%, sodass die Fahrtzeiten der Kinder, die Belastungen für die Umwelt und die Kosten für die Gemeinde deutlich reduziert werden konnten. Täglich nutzen rund 200 Schülerinnen und Schüler das Angebot. Individuelle Karten, entsprechende Lesegeräte und Navigationssysteme sind schon für eine überschaubare Investitionssumme zu bekommen, die sich in Olfen sehr schnell wieder amortisiert hat, da die Fahrleistungen und die Notwendigkeit finanzieller Zuschüsse deutlich gesunken sind.
Nach den Erfolgen in Olfen übernimmt nun auch die Nachbargemeinde Ascheberg dieses Modell und nach den Sommerferien fahren dann auch dort die Schulbusse bedarfsorientiert und nicht mehr auf einer festen Linie.
Klappt das auch bei anderen Busverbindungen?
Im normalen ÖPNV lässt sich ein bedarfsorientiertes Angebot natürlich nicht ganz so leicht umsetzen, denn hier stellt sich das Problem, dass vor der Fahrt von jedem Fahrgast bekannt sein muss, von wo er wann und wohin möchte.
In Olfen hat man sich auch dazu etwas überlegt, einen Bürgerbus, der nur dann und dorthin fährt, wo er gebraucht wird. Diesen haben wir im Wegweiser Kommune bereits vorgestellt.
Das Angebot funktioniert auf der Basis telefonischer Anfragen der Bürgerinnen und Bürger, die mindestens eine Stunde vor Fahrtantritt mitgeteilt werden müssen. Anhand der eingehenden Anrufe berechnet eine Software die optimale Route für eine Fahrt aus dem Umland in das Stadtzentrum. Die Anrufer werden dann direkt an ihrem Startpunkt (z. B. dem Wohnort im Umland) abgeholt und zu festgelegten Haltestellen in der Stadtmitte gebracht. Die Rückfahrt erfolgt dann umgekehrt von einer der Haltestellen im Stadtzentrum zu den Wohnorten, genau wie bei dem Schulbus. Eingesetzt werden hierfür Kleinbusse mit acht Fahrgastplätzen, weswegen der Bürgerbus auch bei geringer Nachfrage kostengünstig fahren kann. Das Modell hat sich als sehr attraktiv erwiesen und wird gut angenommen, innerhalb von zwei Jahren konnten die Fahrgastzahlen mehr als verdoppelt werden. Inzwischen trägt sich das Angebot selbst und bedarf keiner öffentlichen Zuschüsse mehr.
Im schwäbischen Schorndorf, einer Mittelstadt mit knapp 40.000 Einwohnern in der Nähe von Stuttgart, werden im Rahmen eines Projekts ebenfalls „Rufbusse“ getestet. In Zukunft sollen dann die Busse nicht mehr nach Fahrplan, sondern nach Fahrgastaufkommen fahren. Bisher geht es dabei noch primär um ein Auffangen der schwankenden Auslastungen zwischen Haupt- und Randzeiten. Während der Hauptverkehrszeiten fahren dann zunächst noch die Busse wie gewohnt nach Fahrplan, außerhalb der Stoßzeiten sollen allerdings kleinere Fahrzeuge nach Bedarf fahren. Über eine App, eine Internetseite oder auch per Telefon können die Fahrgäste ihren Fahrtwunsch anmelden. Aus den eingehenden Fahrtwünschen wird dann eine Route für den Bus kalkuliert und die Fahrgäste werden darüber informiert, wann der Bus bei Ihnen in der Nähe ist und wo sie zusteigen können. In Schorndorf werden dafür Fahrzeuge eingesetzt, die für etwa 30 Passagiere ausgelegt sind.
Gute Lösung für ländliche Räume, aber auch in der Stadt?
Diese Beispiele zeigen gut, welches Potential für den ÖPNV in der Digitalisierung steckt und was hier bereits mit vergleichsweise einfachen technischen Mitteln optimiert werden kann.
Für die Schulbusse und für ländliche Gegenden erscheint mir das „Olfener Modell“ eine gute Lösung, um die Kassen der Kommunen, die Umwelt und durch kürzere Fahrzeiten auch die Nerven der Fahrgäste zu schonen. Und mancherorts natürlich auch eine Möglichkeit, überhaupt ein ÖPNV Angebot aufrechterhalten zu können.
Anders als auf dem Land, wo die einzelnen Abfahrtszeiten bereits bei den heutigen Linien oft weit auseinanderliegen, befürchte ich allerdings, dass das Modell in größeren Städten nicht so gut angenommen werden wird. Das Angebot des nach Bedarf fahrenden Busses für Zeiten mit geringerer Auslastung, wie er in Schondorf getestet wird, ist doch sehr unflexibel. Überlegungen wie „nehme ich jetzt diesen Bus, oder bleibe ich noch etwas und nehme dann den nächsten?“ oder auch spontane Überlegungen ob ich, je nach Wetter, mit dem Bus oder dem Fahrrad fahre, wären so nicht mehr möglich. Generell hängt der Erfolg dieses Angebots aus meiner Sicht daher sehr stark davon ab, wie lang die Vorlauf- bzw. Reaktionszeit der Busse letztlich ist.
Ich bin gespannt, wie sich diese Angebote weiter entwickeln werden. Was halten Sie vom „Bus nach Bedarf“? Gibt es bei Ihnen weitere Beispiele für innovative Nahverkehrsangebote? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.
Kommentar verfassen