@ Petra Bothe
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24. November 2016

Wernigerode. Nachhaltig lebenswert.

Was haben die Deutsche Rentenversicherung und Wernigerode gemeinsam? Sie planen bis 2030.

Was für den einen Grund zur Sorge, ist für den Anderen vorbildlich. Wernigerode sucht seine Zukunft. Und selbige soll nachhaltig sein. Aus diesem Grund hat der Stadtrat vor einem Jahr beschlossen, eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Mit minimaler Mehrheit zwar, was kein optimaler Start ist. Aber in diesem einen Jahr ist dennoch Einiges geschehen: Bürgerversammlung zum Auftakt, Arbeitsgruppe der Stadtverwaltung, Bestandsaufnahme bestehender Konzepte, Klausur der Stadträte, Klausur der Führungskräfte, Befragung von BürgerInnen und Stakeholdern. Ein vorbildlicher Prozess, der (das ist nicht selbstverständlich) reale Ergebnisse brachte. Für die Bertelsmann Stiftung ist dies ein Pilotprojekt, das wir gern unterstützen.

Zukunft ist offenbar ein mobilisierender Begriff; taktisch, politisch, kommunikativ. Zukunft geht Alle an. Alle sind betroffen. Alle sind Experten. Zukunft mobilisiert, vor Allem, wenn es nicht nur um das Verwalten von Krisen geht. Von Krise kann in Wernigerode wahrlich keine Rede sein. Die bunte Innenstadt ist vollständig saniert, Leerstand existiert nicht, Tourismus boomt, der Haushalt ist ausgeglichen, Raum für investive Experimente ist vorhanden. Viele Städte haben längst aufgehört, von solch einer Situation auch nur zu träumen.

Die zweite Bürgerversammlung firmierte nun unter dem Label „Zukunftskonferenz“. (Bericht der Volksstimme) Man höre und staune, die BürgerInnen kamen in großer Zahl. Tatsächlich hätten es auch nicht mehr sein dürfen, denn die Räumlichkeiten sind historisch begrenzt.

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Der Bürgermeister erklärte die Hintergründe und Ziele der Nachhaltigkeitsstrategie. Frau Prof. Apfelbaum von der Hochschule Harz die Ergebnisse der Bürgerbefragung. Im Anschluss waren die BürgerInnen gefordert, die zwölf strategischen Handlungsfelder mit Zielen und Maßnahmen fortzuschreiben. Wenn man schon mal da ist. Wichtig zu wissen, Wernigerode versteht Nachhaltigkeit nicht primär ökologisch, sondern bezieht auch die soziale Lage, Mobilität, Bildung oder Wohnen mit ein. Ganzheitlich eben.

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Notwendiges Beiwerk: Ein Dutzend Pinnwände, geschätzte 92 Pappkarten, 34 Eddings, ca. 200 Nadeln.

Unvermeidlich kam das seit Jahren kontroverseste Thema der Lokalpolitik zur Sprache. Der Ausbau der touristischen Infrastruktur im Ortsteil Schierke. Für Manche der Lackmustest  ernstgemeinter Nachhaltigkeit, für Andere die letzte Hoffnung eines darbenden Ortsteils. In Kürze: Der Stadtrat beschloss 2012 den Neubau eines ganzjährigen Tourismusareals, was die Rodung von Dutzenden Hektar Wald erforderlich macht.  Ökologisch diskussionswürdig, sinnvoll allerdings wirtschaftlich und für die Stadtentwicklung.

Der Strategieprozess ist noch nicht beendet, zeigt aber erste Resultate: Man redet wieder miteinander im Stadtrat (fast Alle) und mit der Verwaltung. Die Bürger werden aktiviert und die gesamte Stadtentwicklung hinterfragt. Einige Schritte sind noch zu gehen: der Stadtrat muss die Strategie beschließen, die Ziele müssen operationalisiert werden, die Verknüpfung mit dem Haushalt ist eine hohe Hürde und letztlich muss die Politik sich auch dauerhaft an die eigene Strategie halten. Gleichwohl, Wernigerode hat sich auf den Weg gemacht. Und dies ist bereits ein Erfolg.

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Teamwork: Henrik Riedel (Bertelsmann Stiftung), Katrin Anders (Projektleiterin Stadt Wernigerode), Peter Gaffert (Bürgermeister), Prof. Apfelbaum (Hochschule Harz), Autor.

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