Was heute kaum noch jemand weiß, es gab einmal ein funktionierendes Netz von Straßenbahnen in Detroit; bis 1956. Heute erinnert Nichts mehr daran. Eine Reihe von Legenden rankt sich um dieses Datum. Es hieß, General Motors hätte den Betrieb gezielt aufgekauft und abgewickelt. Wenn diese Geschichte irgendwo wahr sein kann, dann in Detroit, denn ÖPNV steht stets in Konkurrenz zum Automobil. Und jenes besitzt in Detroit eine besondere Bedeutung. Eine planlose, dünne Besiedlung der Vororte, Leitbilder individueller Mobilität und die Unfähigkeit regionaler Kooperation taten ihr Übriges dazu.
People Mover
Mitte der 1960er Jahre änderte sich die Lokalpolitik für einen Moment, wenn auch angestoßen durch großzügige Fördermittel des Bundes. Es war ein typisches Leuchtturmprojekt. Viele Jahre gingen ins Land. Am Ende stand der People Mover im wahrsten Sinne des Wortes. Hören Sie selbst:
Zwanzig Jahre drehte der People Mover seine Runden durch eine sich leerende Innenstadt, beständig begleitet von Häme und Schließungsgerüchten. 2008 brach für den People Mover eine neue Epoche an. Er vollzog eine fundamentale Wende und fährt nun in die andere Richtung. Auslastung und Wirtschaftlichkeit hat das nicht geholfen.
Foto 1. Es ist nicht leicht, sich für einen freien Platz zu entscheiden.
Zentren beleben
Warum ist es eigentlich ein Problem, dass es keinen ÖPNV gibt? Bahnen gelten als Treiber für Mobilität und regionale Integration. Dafür muss natürlich ein Netz bestehen, das auf das Zentrum ausgerichtet ist. Geplant war es einst, umgesetzt wurde es nie. Integration ist heute in der Metropolregion von vier Millionen Menschen nicht gegeben. Die einzelnen Siedlungen sind voneinander isoliert, selbst die kleinen Inseln des Lebens innerhalb der Stadt. Ziel eines ÖPNV-Netzes ist es, das Stadtzentrum zu beleben, auf das es seine urbane Funktion erfüllt und als Standort für Unternehmen, Handel und Freizeit attraktiv wird. Es soll möglich werden, die Stadt ohne Auto zu erleben. Kurz gesagt, ÖPNV ist ein Instrument der Stadt- und Wirtschaftsentwicklung.
Foto 2. Wo es keine Bahnen gibt, gibt es Autos und somit Parkhäuser. Dieses besticht durch Farb- und Formgebung und fügt sich nahtlos in das Umfeld von Parkplätzen ein.
Finanzierungsmix
Diese Zusammenhänge hat man auch in Detroit erkannt. Im Jahr 2014 begann nach einigen Jahren der Planung und Verhandlung der Bau einer neuen Straßenbahnlinie M 1. Sie verbindet auf fünf Kilometern einige relativ belebte Stadtteile zwischen Zentrum, Universität und Kunsthalle. Die Baukosten der Strecke werden auf 150 Millionen Dollar geschätzt. Zu viel für eine Stadt in der Insolvenz. Die Finanzierung gestaltete sich daher als buntes Sammelsurium verschiedenster Töpfe. Bund und Land gaben ein Viertel dazu. 65 Millionen kamen über verschiedene Unternehmen und Stiftungen. Den finalen Impuls setzte die Kresge Foundation mit allein rund 50 Millionen Dollar.
Foto 3. Bau der M 1 auf der Woodward Avenue.
Natürlich gibt es auch gegen dieses Projekt Kritik. So sei nicht klar, warum Menschen aus den Vororten überhaupt in das Zentrum fahren sollten. Die Linie ist zu kurz und erreicht die Vororte gar nicht. Abgesehen davon macht eine Strecke noch kein Netz. Die Siedlungsdichte sei zu gering und die laufenden Betriebskosten für die Stadt nicht finanzierbar. Vielleicht wird die M 1 eine weitere Fehlinvestition wie einst der People Mover, aber in diesem Fall lägen die Baukosten der Stadt bei null Prozent.
Wie wichtig sind öffentliche Verkehrsmittel für Sie?
Lesen Sie im nächsten Teil: Was Detroits Pensionäre an Henri Matisse schätzen.
Fotos: René Geißler
Es ist tatsächlich gut nachvollziehbar, dass weder früher noch heute der Öffentliche Nachverkehr eine große Chance in Detroit hat. Wer wollte sich schon in der Auto-Stadt mit einer solchen Systemkonkurrenz auseinandersetzen? Wenn sich für die M1 nicht sofort eine große Nachfrage ergibt, dann wird es eine Fehlinvestition wie der People Mover. Eine Straßenbahn macht einfach noch keine innerstädtische Verdichtung. Aber man weiß ja nie, ob es nicht doch der Nukleus dafür ist. Vielleicht sollten die Detroiter alle ein Jahr kostenlos mit der Straßenbahn fahren dürfen, damit sie merken, wie toll das sein kann.
Eine gute Idee. Dafür muss es bei der Kresge Foundation dann auch noch reichen.