Man kennt den Konflikt ja bereits im Großen, wenn die Geberländer – allen voran Bayern – bei der jährlichen Festsetzung der Ausgleichszahlungen im Länderfinanzausgleich lautstark protestieren und eine zu starke Umverteilung der Finanzmittel und letztlich das Setzen von Fehlanreizen beklagen. Ganz ähnliche Konfliktlinien existieren auch im Kleinen zwischen Kommunen unterschiedlicher Finanzstärke im Rahmen des Kommunalen Finanzausgleichs. Spätestens die Umsetzung des Stärkungspakts Stadtfinanzen mit der damit verbundenen Solidarumlage – dem sogenannten Kommunalsoli – brachte jedoch aus Sicht vieler reicherer Städte und Gemeinden in NRW das Fass endgültig zum Überlaufen. Von den 5,76 Milliarden Euro Konsolidierungshilfen, die bis 2020 an die finanzschwachen Teilnehmerkommunen des Stärkungspakts fließen sollen, trägt das Land mit rund 4 Milliarden Euro zwar den Löwenanteil. Immerhin 1,76 Milliarden Euro sollen jedoch auch von der kommunalen Gemeinschaft aufgebracht werden. (Ähnliche Sanierungsprogramme mit kommunalem Finanzierungsanteil gibt es auch in einigen anderen Ländern.) Umlagepflichtig sind dabei alle Kommunen, deren Steuerkraft nicht nur im betrachteten Jahr, sondern auch in mindestens zwei der vier zurückliegenden Jahre höher lag als ihr ermittelter Bedarf. Über 70 von ihnen klagten daher vorm Verfassungsgerichtshof in Münster gegen diese Zwangsabgabe. Letzten Dienstag wurde die Klage abgewiesen. Zu Recht?
Nun, diese Frage ist auch abseits rein juristischer Argumentationen nicht einfach zu beantworten, da man letztlich beide Parteien ganz gut verstehen kann. Dass Städte wie Duisburg, Oberhausen oder Bottrop durch den immer noch nicht überwundenen Strukturwandel und die Gleichzeitigkeit niedriger Steuereinnahmen und hoher Sozialausgaben finanziell schwer gebeutelt sind und Unterstützung benötigen, ist recht gut ersichtlich. Andererseits ist kommunaler „Reichtum“ in Nordrhein-Westfalen in vielen Fällen ein eher relativer Begriff. Man kennt ja das Sprichwort: Unter den Blinden ist der Einäugige König. So müssen auch viele vermeintlich reiche Kommunen sparen, Investitionen verschieben und sind keineswegs schuldenfrei, wie das Beispiel der Stadt Olsberg zeigt. Schmerzhafte Sparanstrengungen sind den eigenen Bürgern jedoch kaum zu verkaufen, wenn diese nicht spürbar davon profitieren, sondern stattdessen noch Geld an andere Gemeinden abgeführt werden muss. Aufgrund dessen sehen die Klägerkommunen durch den Kommunalsoli auch ihre Gemeindeautonomie und Finanzhoheit verletzt.
Letztlich geht es also wieder mal um das alte Lied: Wie sollten die beiden Grundprinzipien des Föderalismus, Autonomie und Solidarität, zwischen den einzelnen Gebietskörperschaften austariert werden? Solidarität ist notwendig. Die räumlichen Disparitäten der Finanzkraft sind teils so groß, dass ohne Solidarität der Grundsatz gleichwertiger Lebensverhältnisse gefährdet wäre. Aber Gemeinden haben auch ein Recht auf Autonomie. Angesichts eingeschränkter Kompetenzen im Bereich der Einnahmengenerierung und festgeschriebener, umfangreicher Ausgabeverpflichtungen im Bereich von (Sozial-)Ausgaben, unterliegt dieses Recht bereits gewissen Einschränkungen. Da Kommunen aber als Schule der Demokratie gelten, weil der Bezug zwischen Bürgerschaft und Politik dort besonders eng ist, ist es gerade angesichts zunehmender Politikverdrossenheit wichtig, dass die Bürger noch irgendwie wahrnehmen können, ob die Politiker gute Arbeit für ihre Kommune leisten. Insofern stellt sich aus meiner Sicht die Frage, ob Solidarität und Autonomie zwischen Kommunen nicht besser durch eine grundlegende Reform der Gemeindefinanzierung ausbalanciert werden sollten. Unterschiedliche sozioökonomische Rahmenbedingungen und insbesondere Belastungsfaktoren müssten dann durch eine entsprechende Finanzausstattung solidarisch ausgeglichen werden, im Übrigen sollten jedoch auch Autonomie und ein spürbarer interkommunaler Wettbewerb der Ideen und Handlungsansätze möglich sein. Wie wahrscheinlich eine solche Lösung in nächster Zeit ist, steht jedoch auf einem anderen Blatt.
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