Die Stimmung könnte gut sein in NRW. Die Konjunktur lief einige Jahre rund, die Arbeitslosigkeit ist gesunken, die Haushalte der Städte sind weithin im Plus und nun bietet der Bund auch noch eine Übernahme der Kassenkredite an. Aber wie heißt es im Volksmund: „Wenn es dem Esel zu gut geht, …“. Der Esel in diesem Fall ist die Stadt Leverkusen.
Leverkusen senkt Gewerbesteuer von 475 auf 250 Punkte
Im Sommer 2019 beschloss der Stadtrat mittels einer schwarz-rot-gelben Koalition eine Senkung der Gewerbesteuer. Und zwar von 475 auf 250 Punkten. Ein rekordhaft niedriger Wert für Städte dieser Größenordnung. Nur 13 von 11.000 Gemeinden bewegen sich bundesweit überhaupt auf diesem Niveau. Lexgaard, Steinhöfel, Melz oder Schlaprode sind Einige davon. Man könnte sie einzeln aufzählen. Aber wozu, es würde sie Keiner kennen. Der Großteil, ungefähr 70 %, der Gemeinden liegt bei 300 bis 400 Hebesatzpunkten.
Bei den kreisfreien Städten ist das Bild noch eindeutiger. Das Minimum ist bis dato Coburg in Bayern mit 310 Punkten, an der Spitze liegt Oberhausen mit 580 Punkten. Leverkusen würde damit selbst die eher kleine Stadt Coburg noch um Längen unterbieten. Im Vergleich mit Oberhausen wird das Problem aber umso deutlicher: Grob geschätzt beträgt die gesamte Steuerbelastung der Unternehmen aus Körperschafts- und Gewerbesteuer in Leverkusen dann 25 %, in Oberhausen 33 %. Für globale Konzerne, und um die geht es hier, sind das Welten und Grund genug, den einen oder anderen Briefkasten zu versetzen.
Steuersenkung hätte weitreichende Folgen
Die Konsequenzen der Leverkusener Aktion sind daher weitreichend. Es geht nicht nur den früheren Standorten Steuern verloren, sondern dem Land in Gänze. Leverkusen setzt damit auch die anliegenden Städte unter Druck, ihren Steuersatz ebenso zu senken. Im Gegensatz zur Grundsteuer sind der Wettbewerb und die interkommunale Sensibilität bei der Gewerbesteuer tatsächlich hoch. Wie um diese These zu bestätigen, begründet Leverkusen diese Steuersenkung auch mit der früheren in Monheim. Das sorgt für Streit und Ärger zwischen den Städten.
Offen bleibt, wie sich Leverkusen selbst diesen Schritt leisten will, denn er reißt ein Loch von circa 65 Millionen Euro; rund zehn Prozent der gesamten Einnahmen. Kritisch ist auch, dass die Stadt dem „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ unterliegt, also Sondermittel vom Land zur Haushaltskonsolidierung erhält. Es ist durchaus möglich, dass die Kommunalaufsicht die Steuersenkung noch untersagt. Der Verzicht auf die Gewerbesteuer wirkt sich zusätzlich im kommunalen Finanzausgleich aus. Da dort mit den durchschnittlichen Hebesätzen gerechnet wird, würde Leverkusen künftig reicher gerechnet als es ist und verlöre zusätzlich Schlüsselzuweisungen. Und mit den oben erwähnten Altschuldenhilfen des Bundes wird es auch schwierig. Denn der Bund wird Niemandem helfen, der seine Einnahmen vorsätzlich schwächt.
Was steckt hinter dieser Steuersenkung?
Als Beobachter fragt man sich: Was steckt dahinter? Um den Steuerausfall zu kompensieren müsste die Stadt ihre Steuerbasis wohl verdreifachen, also in großem Maße neue Unternehmen anlocken. Es gibt zwei rationale Erklärungen. Entweder die schon vorhandenen großen Unternehmen machen Druck. Oder die Stadt hat bereits Interessenten für Neuansiedlungen.
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Na, herzlichen Glückwunsch, Leverkusen! Nachdem Monheim den Bieterwettbewerb nach unten eröffnet hat, zieht die Nachbarkommune nach und setzt eine Spirale in Gang, dessen Ende ich mir gar nicht ausmalen will. Kommunalpolitiker sind keine Volkswirte, aber so wenig Ahnung von den Auswirkungen kann man doch gar nicht haben? Welche Garantien für zusätzliche Arbeitsplätze haben die Kommunalpolitiker denn erhalten, um die Verdreifachung der Basis zu schaffen? Ansonsten sind nämlich ALLE die Verlierer.