Blick aus der Vogelperspektive auf Bonn. Im Zentrum steht die Uni mit ihrem Hofgarten
barit/flickr.com, CC BY-SA 2.0
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25. August 2017

Bonn ist das Stadtlabor für Open Data

Er kommt mit dem Fahrrad aus Königswinter zu unserem Treffpunkt nach Bonn, direkt am Rhein. Die Strecke ist landschaftlich reizvoll und so lebt Thorsten Gehrlein das vor, was seine Anwendung mobil-in-bonn.de verspricht: nachhaltige Mobilität. Der Berater für nachhaltigen Verkehr hat das umgesetzt, was sich viele Kommunen, die Open Data bereitstellen, wünschen: eine Anwendung mit einem Mehrwert für die Bürgerinnen und Bürger, basierend auf offenen Daten und kostenlos zugänglich.

Der Weg zu einer Open-Data-Anwendung beginnt häufig bei den Daten selbst: Welche kommunalen Daten stehen als Open Data zur Verfügung? Was könnte ich aus diesen Daten machen? Thorsten Gehrlein hat diesen Prozess umgekehrt und vom Ziel her gedacht. Er wollte ein Portal für nachhaltige Mobilität in Bonn entwickeln, das auf Open Data basiert. Erst dann folgte die Suche nach geeigneten Daten. Und die gibt es in Bonn. Die Stadt ist eine der Open-Data-Vorreiterstädte.

Mario Wiedemann und Thorsten Gehrlein in Bonn.

Mario Wiedemann und Thorsten Gehrlein in Bonn.

Das Portal mobil-in-bonn vereint u.a. Verkehrs-Echtzeitdaten der Stadt Bonn. Sensoren an Laternen messen das Verkehrsaufkommen in der Stadt. Daten aus Parkhäusern in der Stadt zeigen an, welches Parkhaus noch angesteuert werden kann. Außerdem lassen sich Carsharing-Stationen oder E-Ladesäulen anzeigen. Feinstaubmesswerte sind auch abzulesen. Hinzu kommt noch eine Schnittstelle zu Google Maps. Dieser Mix ergibt ein Portal, das in der Tat viele Facetten zur nachhaltigen Mobilität bietet und deshalb auch von der Stadt Bonn gefördert wird – nicht finanziell aber mit wertvollen Kontakten oder der Bereitstellung nützlicher Datensätze. Den Entwickler des Portals freut: „Wenn ich Daten brauche, kann ich Herrn Hense fragen“.

Vernetzung zwischen Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft

Herr Hense heißt mit Vornamen Sven, ist Leiter IT-Anwendungen der Stadt Bonn und sitzt mir, nach meinem Gespräch mit Thorsten Gehrlein, im BonnLab gegenüber. Das BonnLab bezeichnet sich selbst als Stadtlabor, als ein Ort des Austauschs und der Vernetzung. Es ist rundherum verglast, mit Sitzflächen direkt an der Scheibe. Ein transparenter Ort für transparente Vorhaben. Hier trifft sich das OK Lab Bonn.

Sven Hense verantwortet die Bereiche E-Government und Open Data und ist auch im OK Lab aktiv. Genauso wie Damian Paderta, den ich auch im BonnLab treffe. Beide kennen sich gut. Sie stehen für die Vernetzung zwischen Stadtverwaltung und Zivilgesellschaft. Zumindest im Bereich Open Data.

Mario Wiedemann, Sven Hense und Damian Paderta im Bonner Stadtlabor.

Mit Damian Paderta und Sven Hense im Bonner Stadtlabor

Diese Vernetzung hatte in Bonn einige Zeit, sich zu entwickeln. Bonn ist Frühstarter in Sachen Open Data. Als es noch praktisch keine Vorbilder hierzulande auf kommunaler Ebene gab, hat Bonn schon 2013 Leitlinien für Open (Government) Data erarbeitet, die bereits Anfang 2014 vom Rat der Stadt beschlossen wurden. Das umfangreiche Portal opendata.bonn.de veranschaulicht die vielfältigen Open-Data-Aktivitäten der Stadt und ist Ausdruck dafür, dass Bonn viel Erfahrung und Kompetenz vereint. Schon 2015 fiel der Entschluss, alle offenen Daten gemeinfrei, ohne Bedingungen unter einer CC0-Lizenz zu veröffentlichen, als viele Kommunen noch weit davon entfernt waren, Daten als Open Data zu veröffentlichen. Auf Twitter blicken sie zurück.

 

Auch technisch möchte die Stadt in Zukunft den nächsten Schritt machen und nicht mehr einzelne Datensätze manuell veröffentlichen sondern eine Automatisierung erreichen. Damit würde sich Bonn von anderen Kommunen abheben, in denen noch um die Veröffentlichung einzelner Datensätze gerungen wird.

Das Ökosystem, das sich in den vergangenen Jahren in Bonn rund um das – im Vergleich zu anderen kommunalen Themen – immer noch junge Thema Open Data entwickelt hat, ist groß. Es gibt viele Kooperationen mit anderen Kommunen, Organisationen, (städtischen) Betrieben und Akteuren der Zivilgesellschaft. Und immer wieder fällt im Gespräch der Begriff Community. Beiden ist wichtig zu betonen, dass Open Data die Verwaltung und die Bürgerinnen und Bürger zusammenbringt. Diesen Umstand sollten Kommunen fördern, indem sie zum Beispiel passende Räumlichkeiten zur Verfügung stellen: „Räume bilden und prägen eine Community“, so Damian Paderta. Und sie schaffen einen nachhaltigen Mehrwert, da sie die Basis sind für eine kontinuierliche Vernetzung, aus der heraus gute Ideen entstehen.

Großen Smart-City-Projekten stehen beide äußerst skeptisch gegenüber, da vor allem große Unternehmen davon profitieren und sich enorme Datenmengen ansammeln, die in aller Regel eben nicht als Open Data zur Verfügung gestellt werden. Sven Hense ist der Meinung, dass es zur Bedingung gemacht werden sollte, diese Daten auch der Allgemeinheit frei zur Verfügung zu stellen. Dies sei ein wichtiger Punkt, denn jetzt würden die Smart-City-Verträge unterzeichnet, die die Richtung für intelligente Stadtentwicklung der kommenden Jahre vorzeichnen. Und er mahnt, nicht den gleichen Weg zu gehen wie Barcelona. Die Stadt dreht die Smart-City-Schraube gerade zurück und möchte den Tech-Konzernen nicht das Monopol über städtische Daten überlassen.

Open Data und die Frage nach der Finanzierung

Das Ungleichgewicht zwischen großen Konzernen und den Bürgerinnen und Bürgern macht sich auch in der Finanzierung bemerkbar. Während große Smart-City-Projekte Hunderttausende oder gar Millionen an Euros verschlingen, suchen Open-Data-Aktive häufig nach Räumlichkeiten oder kleinen Finanzierungstöpfen, um ihre Ideen, die sie in ihrem digitalen Ehrenamt entwickeln, umzusetzen. Damian Paderta bemängelt, dass es kaum Möglichkeiten gibt, abseits der großen Fördertöpfe, die sich an große Projekte richten, an Fördergelder zu kommen, die sich im niedrigen vierstelligen Bereich bewegen. Diese kleinen Summen könnten die Open-Data-Communities vielerorts voranbringen.

Die Frage der Finanzierung treibt auch Thorsten Gehrlein mit mobil-in-bonn.de um. Er hat sich für eine Vermarktung seines Portals entschieden. Dafür hat er in der Open-Data-Community nicht nur wohlwollende Kommentare geerntet. Gehrlein plant, anderen Kommunen anhand von mobil-in-bonn.de vor Augen zu führen, wie ein Portal für nachhaltige Mobilität aussieht und dieses, nach einer Beauftragung, in andere Kommunen zu übertragen. Es gibt noch sehr wenige Geschäftsmodelle, die auf offenen Daten basieren und ich bin gespannt, wie es mit dem Portal weiter gehen wird. Und mit der Stadt und ihrem Open-Data-Ansatz.

Dieser Beitrag ist der 1. Teil einer #OpenDataReise die mich in fünf Städte führte, die seit einiger Zeit Erfahrungen mit Open Data sammeln konnten. Nächste Woche bin ich in Ulm unterwegs und informiere mich über Open Data in einer der Vorreiterstädte im Süden Deutschlands.

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