Am 7. Juni 2016 sollte der KGSt-Infotag „Kommunale Generationenpolitik in einer alternden Gesellschaft“ stattfinden. Hier sollte ich aus den Erfahrungen unserer Workshops für Kommunen einen Vortrag zum Thema „Ab wann ist man eigentlich alt und wie können wir in Kommunen Alterspotenziale nutzen?“ halten. Dazu hatte ich auch bereits hier gebloggt.
Nun erhielt ich am vergangenen Wochenende die Information, dass der KGSt-Infotag aufgrund mangelnder Teilnehmerresonanz leider abgesagt wurde. Diese Absage deckt sich mit anderen Erfahrungen, denn in den vergangenen Monaten höre ich immer wieder von kommunalen Akteuren, dass der demographische Wandel aufgrund der Flüchtlingssituation aktuell kein so wichtiges Thema mehr sei. – Das ist natürlich ein Trugschluss, dem selbst vermeintlich gut informierte Akteure unterliegen.
Weniger, älter, bunter
Wir werden weniger, älter und bunter. Dies sind – vereinfacht ausgedrückt – die Eckpunkte des demographischen Wandels. Je nachdem, wie die weitere Zuwanderung durch flüchtende Menschen ausfallen wird, kann der befürchtete Bevölkerungsrückgang tatsächlich kleiner ausfallen. Ob dadurch der befürchtete Bevölkerungsrückgang gänzlich verhindert werden kann, wird aber von Experten bezweifelt. Besonders für den ländlichen Raum wird diese Frage zu verneinen sein, zumal dies meist auch nicht der bevorzugte Zielort von flüchtenden Menschen ist.
Die zunehmende Alterung ist eine Herausforderung für jede Kommune und sie kann auch durch die eher jüngeren Flüchtenden nur leicht abgefedert aber nicht verhindert werden. Folglich muss sich jede Kommune weiterhin auf die alternde Gesellschaft einstellen und es ist fraglich, ob hier alle Kommunen bereits wirksame Antworten gefunden haben. Auch hiervon ist der ländliche Raum in besonderem Maße betroffen.
Integration als Herausforderung
Eine wachsende Herausforderung wird aber ebenso die Anzahl der Menschen mit Migrationshintergrund sein, die in den Kommunen integriert werden müssen. Neben der sozialen Integration sind hier Bildung und Arbeitsmarktintegration wichtige und dringenden Themen. Und auch hier stellt sich die Frage, ob die Kommunen hierzu bereits Maßnahmen für eine bessere Integration gestartet haben.
Fragen bleiben (unbeantwortet)?
Kommunale Akteure aus der Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft müssen ihre individuelle Zukunftsfragen diskutieren und Antworten finden wie z. B.
- Was wäre, wenn bei uns die zu erwartende Bevölkerungsanzahl und -struktur schon heute bestünde?
- Wie müssten dann die Angebote (Dienstleistungen, Produkte) aussehen?
- Welche Kitas, Jugendarbeit, Sozialdienste, Buslinien, Arztpraxen, Geschäfte, Seniorenangebote usw. werden dann benötigt?
- Was müssen wir heute tun, damit wir diese Angebote künftig haben?
- Was können wir besser allein und was zusammen mit anderen Akteuren planen?
- Wie sehen in 10 oder 20 Jahren unsere finanziellen Möglichkeiten aus?
- Wie wollen wir zusammen leben? Welche Wohn- und Begegnungsangebote brauchen wir jetzt und in Zukunft?
- Wie sieht die Situation heute und in Zukunft in den unterschiedlichen Quartieren aus?
In unseren früher durchgeführten Workshops für Kommunen haben kommunale Akteure jeweils ihre kommunalen Herausforderungen diskutiert, individuelle Ziele und Lösungsideen verabschiedet, die dann den kommunalen Beschlussorganen vorgelegt wurden. Dabei wurde immer wieder deutlich, dass es keine allgemein gültigen Blaupausen gibt: Jede Kommune hat individuelle Herausforderungen und muss hierfür individuelle Lösungen entwickeln. Und deshalb muss sich jede Kommune fragen, ob sie schon Antworten auf ihre demographischen Zukunftsfragen hat.
Gute Beispiele zur Gestaltung des demographischen Wandels finden sich auch auf der Seite des Wegweisers Kommune.
„Meine jüngst in NRW durchgeführte Studie „Demographiebeauftragte in Städten und Gemeinden“ unterstreicht die Einschätzungen von Herrn Wähnke. Trotz unterschiedlicher Arbeitsbedingungen machen Demographiebeauftragte in ihren Städten und Gemeinden ähnliche Erfahrungen. Gefragt nach guten Arbeitsvoraussetzungen wurden vor allem Unterstützung durch die Stadtspitze, Freiraum für die komplexe Aufgabenstellung sowie eine angemessene finanzielle Ausstattung genannt. Einige kritisieren fehlenden internen Einfluss und mangelnde Akzeptanz in der Verwaltung. Für das Gelingen erfolgreicher Demographieprozesse kommt dem Handlungswillen von Politik und (Ober-)Bürgermeistern also eine entscheidende Rolle zu.“
Susanne Tatje, Leiterin des Amtes für Demographie und Statistik der Stadt Bielefeld
auch wir können die Erfahrungen von Frau Tatje unterstreichen. Im Rahmen der Evaluationen unserer Workshops haben wir nach den Erfolgsfaktoren einer demografiesensiblen Kommunalpolitik gefragt und auch dort wurden die Unterstützung durch den Chef, die Sensibilisierung der Akteure, Bürgerbeteiligung und Vernetzung der Akteure als wichtigste Erfolgsfaktoren genannt.
Ich fand die Studie zu „Demographiebeauftragte in Städten und Gemeinden“ sehr aufschlussreich. Um sie unseren Lesern auch nochmal leichter zugänglich zu machen, stelle ich hier den Link zum Download ein:https://www.bielefeld.de/ftp/dokumente/Thema_5_2016.pdf Herausgegeben von der Stadt Bielefeld, Amt für Demographie und Statistik. Autorin: Susanne Tatje.
auch eine aktuelle OB-Befragung vom Difu bestätigt die gesunkene Bedeutung des Themas http://www.difu.de/ob-barometer-2016.html