Was demografischer Wandel und Digitalisierung miteinander zu tun haben, war Thema beim Demografie-Kongress Best Age letzte Woche in Berlin. Dabei ging es vor allem darum, Lebensqualität durch technische Innovation zu erhalten.
Kaum ein Kongress, kaum eine Diskussion kommt zurzeit ohne das Schlagwort Digitalisierung aus. Je nach Technikaffinität sind damit Faszination oder Ängste verbunden und ganz unterschiedliche Bilder entstehen in unseren Köpfen – von Fotodrohnen zum Kindergeburtstag bis zum Milch bestellenden Kühlschrank. Beim Demografie-Kongress Best Age letzte Woche in Berlin standen weniger technische Spielereien im Vordergrund. Vielmehr ging es um die Frage, wie digitale Innovationen die Folgen des Demographischen Wandel abmildern und zur Aufrechterhaltung von Lebensqualität beitragen können – für mich besonders spannend mit Blick auf unsere immer älter werdende Gesellschaft. In unserem Forum unter dem Motto „Alt aber digital – gut versorgt in Stadt und Land?“ haben wir dies gemeinsam mit drei Referenten und den Teilnehmern diskutiert und dabei besonders die ländlichen, strukturschwachen Regionen im Blick gehabt.
Smart Country statt Smart City
Smarte, d.h. intelligent vernetzte sowie technologisch und ökologisch fortschrittliche Städte, zeigen auf, was bereits möglich ist und was für viele Städte Zukunft sein kann. Eine Stadt, die mich in dieser Hinsicht sehr beeindruckt hat, ist Wien, die wir vor wenigen Monaten besucht haben. Aber sind Modelle und Konzepte, technische Innovationen, überhaupt von der Stadt auf das Land übertragbar? Gerald Swarat, Leiter der Initiative „Smart Country – Digitale Strategien für Regionen“ und Mitarbeiter am Fraunhofer IESE hat im Workshop Möglichkeiten aufgezeigt. Gerade für die zunehmend alternde Gesellschaft im ländlichen Raum werde es immer schwieriger, die nötigen Leistungen in Prävention, Vorsorge, Rehabilitation und Pflege adäquat zu gewährleisten. Dabei ginge es nicht nur um das rein technisch Mögliche – jede technische Innovation müsse die soziale Vernetzung fördern und die Lebensqualität erhalten.
Dass der Mensch bei allen technischen Entwicklungen im Mittelpunkt steht, war vielen Teilnehmenden im Forum wichtig. Die Einbeziehung der Menschen nicht nur bei der Entwicklung, sondern auch bei der Einführung technischer Innovationen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Akzeptanz gerade bei der älteren Generation. Im Kontext von gesundheitlicher und pflegerischer Versorgung sind aber auch soziale Träger gefragt – und zwar in Bezug auf die Einbeziehung und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter.
Ist Flobi die Lösung aller Probleme?
Sicher nicht, auch wenn Flobi, ein am CITEC in Bielefeld entwickelter Roboter, sehr sympathisch aussieht. Roboter wie Flobi sind nur ein Baustein von vielen im Rahmen einer menschzentrierten Technikentwicklung. Thorsten Jungeblut vom CITEC (Kognitive Interaktionstechnologie) der Uni Bielefeld stellte ein Projekt zum vernetzten Wohnen vor: Die mitdenkende Wohnung KogniHome. Hierbei geht es weniger um futuristische Avatare als vielmehr darum, dass technische Unterstützung in der Wohnung verschwindet. Interessant ist auch hier der Ausgangspunkt der Überlegungen – nämlich der demografische Wandel und die im Schnitt immer älter werdende Bevölkerung. Der Anteil der Menschen über 80 wird in den nächsten Jahren stark ansteigen und damit der Bedarf an Unterstützung und Pflege. Zugleich möchten die meisten Menschen so lange wie möglich selbstbestimmt in der eigenen Wohnung leben. Eine digitale Küche, ein intelligenter Eingangsbereich und ein persönlicher, digitaler Coach können beispielsweise Demenzkranke dabei unterstützen, länger in der eigenen Wohnung zu leben und Angehörige und Pflegekräfte entlasten.
Bei der Diskussion in dieser Runde wurde deutlich, wie wichtig konkrete Projekte und Erfahrungen für die Akzeptanz technischer Assistenzsysteme sind. Eine Teilnehmerin hatte die Möglichkeit, in einer vernetzen Wohnung „auf Probe zu wohnen“ und ganz praktisch zu erfahren, welche technische Unterstützung für sie hilfreich wäre, welche sie (noch) ablehnen würde und wo es generell Optimierungsbedarf in der Entwicklung gibt – eine grundlegende Erfahrung für die Einschätzung und Vermittlung technischer Unterstützungsmaßnahmen an hilfebedürftige Menschen.
Offenheit für Innovation fällt nicht vom Himmel
Welche Chancen die Digitalisierung mit Blick auf eine alternde Gesellschaft – und in vielen Regionen schrumpfende Bevölkerung – bietet, machte Carsten Große Starmann noch einmal deutlich und leitete damit die abschließende Diskussion ein. Der Anspruch auf gleichwertige Lebensverhältnisse sei vor diesem Hintergrund nur schwer einzulösen, einige der Folgen von infrastruktureller Ausdünnungen könnten aber durch internetbasierte Dienstleistungen abgemildert und ländliche Regionen attraktiv erhalten werden. Hier braucht es eine intensive Diskussion über Mindeststandards der Daseinsvorsorge, zu denen in jedem Fall leistungsfähiges Internet gehört. Und wichtig ist dabei vor allem auch, die Dinge neu und offen zu denken – was nicht unbedingt eine Frage des Alters sein muss.
Die Offenheit für technische Innovation betrifft uns alle: Entwickler, Vermittler, Verwalter, Politiker und nicht zuletzt Nutzer. Generell müssen wir alle unsere Kompetenz im Umgang mit technischer Innovation weiter entwickeln – ein lebenslanger Prozess, der nie abgeschlossen sein wird.
Mein Fazit: Es wurden viele spannende Fragen gestellt, die bei weitem nicht alle beantwortet werden konnten. Aber: Ich habe inzwischen schon viele, sehr konkrete Bilder im Kopf, wenn ich an „Digitalisierung“ denke. Und unser nächster Workshop wird dann hoffentlich „Alt und digital!“ heißen und nicht mehr „Alt oder digital?“.
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